Wie kommen Ärzte und Ärztinnen zu ihren Diagnosen und therapeutischen Entscheidungen? Wie konstituiert sich ärztliche Praxis? Diese Frage wurde brisant durch Versuche, ärztliche Entscheidungsstrukturen in technische Systeme zu übertragen. Die Versuche machten deutlich, dass wir wenig darüber wissen, wie ärztliche Praxis entsteht. Dieses Wissensdefizit ist der Ausgangspunkt der vorliegenden Studie. Ihr liegt eine empirische Untersuchung zu Grunde, in die niedergelassene Ärzte und Ärztinnen einbezogen waren. Das Ergebnis: Ärztliche Praxis generiert sich auf der Basis von Metaphern. Ob es sich um den ersten Blick handelt, den ein Arzt auf einen Patienten wirft, um eine Vermutungsdiagnose, um die Auswahl diagnostischer Verfahren und therapeutischer Instrumente oder um die Gestaltung der Arzt-Patient-Beziehung - all das erklärt sich aus den Implikationen metaphorischer Konzepte, die der jeweiligen Praxis zu Grunde liegen. Die Einsicht in die gestaltende Kraft von Metaphern im praktischen Handeln von Ärzten und Ärztinnen ist neu. Sie hat Bedeutung für die Möglichkeiten der technischen Reproduzierbarkeit ärztlichen Handelns, für die aktuelle gesundheitswissenschaftliche Diskussion sowie für die Möglichkeiten und Grenzen von Rationalisierungskonzepten im Rahmen der Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Sie kann dazu beitragen, Defizite und Mängel bei der Krankheitsbearbeitung, Störungen in der Arzt-Patient-Beziehung und spezifische Belastungen im Ärzteberuf zu erklären. Ihre Erklärungskraft reicht über die ärztliche Tätigkeit hinaus, denn sie thematisiert grundsätzlich menschliches Denken und Handeln. Die Studie ist insofern auch ein Beitrag zur neueren Handlungsforschung. (Thomas Anz)