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Brône, Geert. 2007. Bedeutungskonstitution in verbalem Humor: Ein kognitiv-linguistischer und diskurssemantischer Ansatz. Leuven, Belium. 468 pp.
Publication type
Ph.D dissertation
Publication language
German

Abstract

Eine eingehende linguistische Analyse verbalen Humors bietet, wie aus den zwei Fallstudien in Kapitel 5 und 6 hervorgeht, eine interessante Perspektive auf sowohl die aktive wie die interaktive Dimension der Bedeutungskonstitution in einem gebrauchsorientierten Modell. Bezüglich der kreativen Arbeit bei der Herstellung einer kontextualisierten Bedeutung zeigen Wortspiele, konversationelle Witzeleien usw., dass Sprachgebraucher Prinzipien der semantischen Konstruierung (supra 2.1.) und die damit verbundene Flexibilität des kognitiven Systems (vgl. Hofstadters (1995) Konzept des 'fluid conceptual system') opportunistisch zu lokalen pragmatischen Zwecken der Ambiguierung einsetzen (ambiguation (Nerlich & Clarke 2001), purposive ambiguity (Kittay 1987)). Humor bringt somit das semantische Potential, das mit sprachlichen Einheiten auf allen Ebenen der linguistischen Organisation zu verbinden ist, in einem dynamischen Kontext an den Tag. Zu den Prinzipien einer konstruktivistischen Semantiktheorie, die sich in Humor auf eine besonders prominente Weise manifestieren, bzw. deren psychologische Realität humoristischer Sprachgebrauch indirekt bezeugt, gehören wenigstens die folgenden zusammenhängenden Kernbegriffe: (a) das Konzeptpaar relative Salienz bzw. kontextuelle Prominenz, (b) Unterspezifizierung und Analysierbarkeit, und (c) die Interaktion zwischen lexikalischen, kontextuellen und enzyklopädischen Kenntnisstrukturen bei der Bedeutungskonstitution. Hinsichtlich des zentralen Begriffs der relativen Salienz bestimmter semantischer Konstruierungsmöglichkeiten lässt sich sowohl für die Fallstudie zu metaphorischer Ambiguität in Schlagzeilen (Doppelerdung, Kapitel 5) wie für die Kategorien Hyper- und Missverständnis (Kapitel 6) schließen, dass der Rückgriff auf nicht-saillante bzw. kontextuell markierte Bedeutungen eine lokale Ambiguierung ermöglicht. In solchen Fällen liegt ein Prozess der Deautomatisierung vor (Šklovskij 1917[1965], Mukaøovský 1964, Renan 1984, Giora 2003), bei dem eine automatisch aktivierte (saillante) bzw. kontextuell profilierte Konstruierung vorübergehend in den semantischen Hintergrund gedrängt wird, zugunsten einer (kontextuell) markierten Variante. Die Möglichkeit eines solchen Rückgriffs zeigt, sowohl aus der Perspektive des Produzenten wie jener des Rezipienten, dass Bedeutungskonstitution ein aktiver Konstruierungsprozess ist. Das breite Bedeutungspotential steht Sprachgebrauchern, trotz starker salienzbasierter sowie kontextueller Präferenzen, zur Verfügung für alternative, häufig opportunistische Kontruierungsmöglichkeiten. (Geert Brône, p. 399-400)