Wissenschaftsrhetorik: Johann Christoph Gottscheds Ausführliche Redekunst (1759) als Lehre vom Wissenstransfer

Kersten Sven Roth

Zusammenfassung

Der vorliegende Aufsatz geht von der Annahme aus, dass der Schlüssel zum Gesamtwerk des Frühaufklärers Johann Christoph Gottsched (1700–1766) nicht in dessen von seinen Zeitgenossen bevorzugt rezipierten und kritisierten poetologischen Arbeiten zu suchen ist, sondern außer in den grammatologischen in seinen Schriften zur Rhetorik, insbesondere in der Ausführlichen Redekunst von 1759. Er interpretiert diese als den Versuch, die vom Untergang bedrohte Redekunst in das ‘kritische Zeitalter’ zu retten und in strikter Abgrenzung von der antiken Topik einerseits wie der zeitgenössischen höfischen ‘Complimentierkunst’ andererseits eine vernunftgerechte Wissenschaftsrhetorik zu konzipieren. In das Zentrum des Interesses rückt damit der Umgang mit dem Paradoxon aus Wahrheits- und Wirksamkeitsanspruch als zeitloses Problem des Wissenstransfers. Entsprechend versucht der Aufsatz, die Aktualität dieses Problems und damit auch den Wert der Gottschedschen Rhetorik für die moderne (populär)wissenschaftliche Textproduktion aufzuzeigen.

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