Oedipus und die Folgen: Die Metaphorik der Translationswissenschaft
RenateResch
Institut für Übersetzer- und Dolmetscherausbildung der Universität Wien
Zusammenfassung
Metaphorischer Sprachgebrauch ist auch im wissenschaftlichen Diskurs von Bedeutung. Als erkenntnissteuernde Denkmittel wirken Metaphern theorienbildend und sogar theorienkonstitutiv. Ein feministisch-kritischer Blick auf die Zentralmetapher der Translationswissenschaft, die "Treue" zum Original entlarvt patriarchalische Denkstrukturen, die nicht nur längst überholt geglaubte gesellschaftspolitische Tendenzen spiegeln, sondern auch den theoretischen Rahmenfür ein Verständnis von Übersetzen als Reproduzieren bestimmen. Um dieser von seiten der Übersetzungswissenschaft selbst auf metaphorischer Ebene propagierten Geringschätzung des Übersetzens als nur reproduzierender Tätigkeit entgegenzuwirken, sollte eine moderne Translatologie Übersetzen als Textproduktion im theoretischen Rahmen "Intertextualität" beschreiben.
Die Metapher als eine Form des bildhaften Sprachgebrauchs zieht seit langem vor allem die Aufmerksamkeit der Literaturwissenschaft auf sich. Ausgehend von der traditionellen "Ornatus"-Auffassung von Metapher, die ihre sprachschmückende Funktion in literarischen Werken in den Mittelpunkt stellt, wurde vor allem die kreative Übertragung mit Hilfe einer Analogiebildung diskutiert. Demnach bedingt u.a. die spezifische Ausprägung der Bildsprache eines Sprachkunstwerkes seine ästhetische Wirkung, und ihre Dechiffrierung in bezug auf die inhaltlichen Aspekte des Werkes macht traditionellerweise ein wesentliches Element seiner literaturwissenschaftlichen Würdigung aus.
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