An der Schnittstelle von Translations- und Interkomprehensionsdidaktik: Ergebnisse einer Fallstudie zur slawischen Interkomprehension

Michael Ustaszewski
Institut für Translationswissenschaft, Universität Innsbruck
Abstract

Intercomprehension didactics aims at exploiting intercomprehension (or mutual intelligibility) for the time-saving acquisition of receptive skills in a language unfamiliar to an individual by systematically comparing it to cognate languages the individual is already proficient in. As the cognitive processes underlying intercomprehensive language acquisition seem to have much in common with those underlying translation activity, intercomprehension didactics might contribute to developing efficient new methods for multilingual translator training. The paper provides empirical evidence for the feasibility of intercomprehensive language instruction in translator training. It addresses the following questions: Does the exploitation of knowledge of Russian promote the comprehension of Polish texts and the subsequent translation of these texts into learners’ L1? How do translation competence and intercomprehension competence interact? To what extent can interference errors induced by false friends be avoided in the translation of texts decoded through intercomprehension?

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Inhaltsverzeichnis

In den 1990er-Jahren begann sich die Fremdsprachendidaktik verstärkt für das Konzept der Interkomprehension, verstanden als die menschliche Fähigkeit, eine nicht beherrschte Sprache über die Verwandtschaft zu einer bereits beherrschten Sprache verstehen zu können, zu interessieren, was letztlich zur Etablierung der so [ p. 433 ]genannten Interkomprehensionsdidaktik führte (Meißner 2007). Ihr vordergründiges Ziel besteht darin, genetisch verwandte (kognate) Sprachen miteinander in Beziehung zu setzen und darauf aufbauend Methoden zur Vermittlung von Kenntnissen in einer oder mehreren dieser Sprachen zu entwickeln. Charakteristisches Merkmal der Interkomprehensionsdidaktik ist ein Fokus auf rezeptive Kompetenzen (Lesen, Hören) unter expliziter Ausklammerung der aktiven Kompetenzen (Schreiben, Sprechen), wodurch ein schneller Lernfortschritt ermöglicht wird (Klein 2004, 222). Zahlreiche empirische Untersuchungen im schulischen und universitären Bereich sowie der Erwachsenenbildung belegen die Effizienz von interkomprehensionsbasiertem Fremdsprachenunterricht (u.a. Bär 2006; 2008; 2009; Klein 2004; Meißner 2010; Reissner 2007). Auf derartigen Ergebnissen aufbauend vertritt Zybatow (2004; 2010) die Auffassung, dass die Interkomprehensionsdidaktik gerade in der Übersetzerausbildung besonders nutzbringend angewandt werden könne, da die im Laufe der Ausbildung erworbene Mehrsprachigkeit und Translationskompetenz einerseits die Studierenden zum Erlernen weiterer Arbeitssprachen mittels Interkomprehension prädestinieren und andererseits mit vergleichsweise wenig Aufwand auf diese neu erlernten Arbeitssprachen zum Erstellen von Herübersetzungen in die Muttersprache ausgeweitet werden können.

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